Das Atmen der Wale
Wie Ende letzten Jahres versprochen, möchte ich euch heute in meinem Newsletter erzählen, wie es mir auf meiner Walbeobachtungstour in Nord-Norwegen, mitten in der dunkelsten Jahreszeit, erging. Ich habe mich 6 Tage Mitte Dezember auf ein Segelschiff begeben, dessen Startpunkt Tromsö war. Monate hatte ich darauf hingefiebert, weil ich seit Jahren Wale immer mal wieder in unterschiedlichsten Momenten, wie Urlauben, Volontariaten u.ä. gerne beobachte. Diese Tiere sind so majestätisch und friedvoll. Mein Herz platzt immer vor Freude, wenn ich sie beobachten kann. Kurz vor Beginn in Tromsö überkamen mich Zweifel: was habe ich mir da eigentlich gedacht? Ich begebe mich auf ein (im Vergleich zu Kreuzfahrtschiffen ja doch sehr, sehr kleines Boot), teile mir evtl. eine Kabine mit jemanden, den ich nicht kenne, kann weder das Schiff verlassen, wenn es mir nicht gefällt, und was habe ich mir dabei gedacht, dass es schön sein soll, bei minus 10 Grad in der dunkelsten Jahreszeit überhaupt auf ein Schiff zu gehen?? Warum mache ich es nicht im Sommer, wie üblich? Nun, Zweifel gehören zu Abenteuern immer dazu. Ich habe mich für diese Tour entschieden, weil ich den Norden sowieso irgendwie faszinierend finde, und die Heringe in Nord-Norwegen eben nur zwischen November und Januar in Massen da sind, was den großen Buckelwalen und den Orcas das Argument liefert, sich dort hin zu begeben. Also ging es los! Typisch ich: ich erkundige mich nie ganz genau über den Ablauf, denn irgendwie möchte ich auch überrascht werden. So erfuhr ich also, dass, ganz im Gegenteil zu dem, was ich eigentlich dachte, dass wir nämlich jeden Abend sicher in irgendeinem Hafen ankern, in Wahrheit nur am ersten und am letzten Abend in einem Hafen ankern würden. Ups! Ich war davon ausgegangen, dass wir abends immer ruhig schlafen könnten. Nun, Isa: nein, so ist es nicht geplant. Unser Skipper fährt also von Tromsö aus (was bedeutet. Selbst der Anfangshafen liegt schon 600 km nördlich des Polarkreises) mit den Schiff jeden Tag noch weiter in den Norden und begibt sich, im Schutz der Fjorde dort hin, wo sich die Wale befinden. Und so ankerten wir also 4 Nächte mitten im Meer (ok, mitten im Meer nicht, denn der Anker kann nur ca 10 Meter tief gesetzt werden), aber zumindest nicht im Hafen, sondern in der Dunkelheit eben irgendwo in der Nähe irgendeiner Küste. Schön war: ich musste mir keine Kabine teilen. Gewöhnungsbedürftig war, dass der Skipper (ein berühmter Franzose, der seit vielen Jahren in Nord-Norwegen wohnt) eher die Eigenschaft eines Polarbärs als eines Menschen hat: Beispiel: er begibt sich mit Hausschlappen bei minus 11 Grad hoch aufs Schiff, um zu navigieren/ manchmal auch in T-Shirt… Aber an was ich mich wirklich noch mehr gewöhnen musste: in den Stunden (meistens ca 4-5 Stunden pro Tag) oben auf dem Schiff zu stehen, nach Walen Ausschau zu halten, während der Skipper das Schiff navigiert, und zwar meine ich gar nicht, die Herausforderung, dass ich dann, 4-5 Stunden bei meistens -10 Grad oben auf dem Schiff in der Kälte stand, sondern eher, dass ich über Stunden mit den eigenen Gedanken alleine war. Denn auf so einem Walbobachtungsschiff sieht man ja nicht durchgehend Wale. Viele Stunden steht man oder läuft man am Schiff entlang, und das Einzige, was ich in dieser absolut unberührten Natur hatte, waren die eigenen Gedanken. Und das, habe ich gemerkt, ist gar nicht so einfach zu ertragen, Stunde für Stunde, Tag für Tag. …bei Kälte…. bei ewiger Dämmerung. Apropos Dämmerung: ja, es wird nicht wirklich hell, so hoch oben Mitte Dezember, aber erstaunlicherweise ist es auch 4 Stunden lang nicht wirklich stock dunkel, wie ich eigentlich erwartet hatte. Das Licht müsst ihr euch so vorstellen, wie als würde 4 Stunden lang immer die Sonne untergehen. Und der Unterschied, das lerne ich auch ganz neu, ist selbst bei einer ganz kleinen Strecke sehr groß - hier oben im Norden. Denn nur wenige km weiter nördlich ist es schon 15 Minuten weniger hell. Das Nordkapp war gar nicht mehr weit. Und dort geht die Sonne nur einmal auf und nur 1 Mal unter im Jahr. Krass oder? Nämlich im März und September. So merkt man es sich am einfachsten. Aber um korrekt zu sein ist es so: am Nordkapp (also der nördlichste Punkt auf dem europäischen Festlandes) dauert diese Phase am längsten. Vom 20. November bis 22. Januar bleibt die Sonne unter dem Horizont. Wegen des Winkels der Erde ist es also nur ca. 250 km nördlich schon komplett dunkel, da wo wir noch 4 Stunden Dämmerung hatten. Und hier gleich noch eine Geschichte: die Kinder in Tromsö feiern eben dann, wenn die Sonne wieder aufgeht, das ist in Tromsö ca. der 20 Januar, ein Sonnenfest. Dann fahren alles Kinder im Kindergarten und Grundschule zum Strand, buddeln mit ihren Sandschaufeln und Eimerchen (im Schnee am Strand), mit Sonnenliegen unter den Armen, und begrüßen die Sonne. Ist das nicht eine tolle Tradition? Sie essen Donuts, singen Lieder und buddeln im Schnee. Hier noch eine Info: Ab Ende Dezember bis zum 20. Januar gewinnt das Tageslicht jeden Tag 25 Minuten dazu! Unglaublich oder? Es ist wirklich mal kurz sehr, sehr dunkel aber auch sehr, sehr lange hell hier im hohen Norden. Von April bis August ist es fast durchgängig hell, Tag und Nacht. Und was ich auch nicht wusste: viele ältere Menschen leiden weit mehr unter der Schlaflosigkeit in der Hälfte des Jahres, wenn es dauerhaft hell ist, als in den dunklen Monaten an Depression o.ä. Das bringt mich wieder dazu, euch zu erzählen wie wichtig es ist, einmal „andere“ Erfahrungen zu machen. Ich nenne sie in meinen Seminaren „Prototypen“, das kann eine berufliche Weiterbildung sein, ein Urlaub, ein Volontariat, oder was dir sonst noch einfällt. Es sollte etwas sein, was du dich vielleicht normalerweise nicht traust, oder etwas, bei dem du denkst: ne, das mache ich doch eh nicht.… Oder solche Gedanken wie: dafür bin ich zu alt, zu jung, zu dick, zu dünn. All diese Ausreden, wir wir alle haben, um etwas nicht anzugehen. Was ich euch wirklich sagen will: in solchen Momenten lerne ich für mein Leben. Ich lerne Dinge, über die ich vorher nicht nachgedacht habe, und das ist so wahnsinnig wertvoll. Nicht nur für mein eigenes Gefühl und meine eigene Wesenserweiterung, sondern auch als etwas, das ich der Gesellschaft in irgendeiner Form weitergeben kann. In diesem Fall z.B. über den Newsletter. Vergesst nicht: jede(r) von uns kann Wissen weitergeben. Und das ist wertvoll. Und ich ermutige euch, immer mal wieder eine neue Erfahrung zu machen und zu teilen. Auch gerne in eurem eigenen Beruf.
So, nun weiter zu den Dingen, die ich auf meiner Walreise gelernt habe. Wir sind immer in den norwegischen Fjorden gefahren, denn mit einem kleinen Schiff kann man gar nicht draußen auf das Nordmeer im Winter. Dort sind wohl dauerhaft Stürme und enorm hohe Wellen. Ich hatte mich auf früheren Reisen in Norwegen immer gewundert, warum das Meer relativ ruhig ist und auch nicht zugefroren. Nun, ich habe nie das Meer hinter den Fjorden gesehen - das wurde mir erst dieses Mal richtig bewusst. Apropos Wellen und nicht gefrorenes Meer: Die Wellen waren schon manchmal ziemlich hoch, aber unser Schiff war fantastisch in dieser Hinsicht. Es ist ein Schiff, das unser Skipper schon durch sämtliche Nordmeere geleitet hat. Er ist sogar der einzige Mensch nach einem berühmten Norweger Anfang des 20. Jahrhunderts (Amundsen), der die arktischen Meere mit genau unserem Schiff umrundet hatte. Kein Wunder also, dass es so sanft glitt. Und nun noch die Info zu den Temperaturen: Geschützt durch die Fjorde ist das Wasser gar nicht sooo kalt. Am kältesten (und das wusste ich auch nicht) ist es nicht, wie man vermuten würde, im Januar oder Februar, sondern im April, und zwar dann wenn das Eis und der Schnee schmelzen und ins Meer gelangen. Dann beträgt die Temperatur ca 2-3 Grad. Also, selbst wenn wir bei -10 Grad Außentemperatur ins Wasser gefallen wären, hätten wir ein paar wenige Minuten gehabt, bevor wir erfroren werden. Welch Erleichterung - ha ha! Ach, eine Situation war auch ganz „nett“. Unser Kapitän wurde zwischendurch mal gezwungen, umgehend, wie es hieß, die Route zu verlassen. Und nicht wenig später entdeckte unser 1. Offizier tatsächlich ein U-Boot. Es war ein amerikanisches Nuklearboot. Da ist nicht zu spaßen, wenn einem gesagt wird, dass wir umgehend die Route verlassen sollen… Ja, das norwegische Gewässer wird aus vielerlei Gründe natürlich stark verteidigt.
So, und nun noch ein paar Infos zu den Walen, die wir gesehen haben: Bisher habe ich immer gelernt, dass sich Buckelwale und Orcas aus dem Weg gehen. Sie mögen sich nicht. Und hier, gab es wohl Heringe so in Massen, dass sie sogar zusammen gesprungen sind, ihren Spaß hatten, nebeneinander geschwommen sind. Unglaublich! Was auch neu war: ich habe bisher noch nie graue Orcas gesehen. Diese gibt es wohl hier im Nord-Atlantik. Außerdem kenne ich es so, dass Orcas immer in Gruppen sind. Sie sind sehr soziale Tiere. Hier haben wir auch oft Orcas gesehen, die einfach alleine durch die Gegend schwammen. Die Buckelwale, diese 40 Tonnen schweren Tiere, die 14 Meter lang sind, waren oft schneller als unser Schiff. Unfassbar finde ich das. Und das Aller- Allerschönste auf dieser Reise waren das Ausatmen der Wale, wenn wir fuhren oder standen und sie beobachteten. Unberührte Natur drum herum, totale Stille. Und dann nur dieses Atmen alle paar Sekunden. Friedvoller kann es wohl nicht sein.
Nun denn, ich könnte euch natürlich noch viele mehr Details meiner Reise erzählen, aber wie wäre es denn, wenn ihr euch selbst auf eine eigene Reise begebt?
Wie ich oben erwähnt habe, ermutige ich immer in meinen Seminaren zu „Work-Life-Design“ zu Prototypen. Wenn du etwas teilen möchtest, einen Prototypen, ein Volontariat mit neuen Erfahrungen, dann melde dich gerne. Ich interviewe dich und wir veröffentlichen es hier als Newsletter. Nicht vergessen: du kannst immer etwas weitergeben. Jede(r) von uns. Denn du weißt oder kannst ganz sicherlich etwas, was andere (noch) nicht wissen. Nur Mut!
Über den Tellerrand zu schauen und mal etwas ganz anderes zu lernen, habe ich übrigens u.a. bei einem meiner ersten Bildungsurlaube erfahren. Wusstest du eigentlich dass dir 5 Tage Bildungsurlaub pro Jahr zustehen, bzw. alle 2 Jahre 10 Tage? Nur in Deutschland haben wir dieses Privileg, und wir können dankbar sein, dass wir uns jedes Jahr weiterbilden dürfen.
Hier
findet ihr Infos über die verschiedenen Gesetze je Bundesland.
Stell dir vor: 5 Tage über den eigenen Tellerrand schauen! Welch wertvolle Quelle für Frieden, Innovation und Weiterbildung in einem Land! Wenn du etwas über den Bildungsurlaub erfahren möchtest, den ich anbiete, nämlich „Work-Life-Design“, lese gerne etwas
hier. Meine Termine an ganz unterschiedlichen Orten, in denen ich Bildungsurlaub anbiete, findest du
hier.
Ich freue mich, von dir zu hören, oder dich zu sehen!
Viele Grüße
Deine Isa