Design Thinking und Design Your Life klingen ähnlich - ist das eine eine Kopie des anderen? Das fragen sich wohl so manche. Und daher möchte ich gerne aufklären, was das Ganze so auf sich hat.
Was zunächst ist überhaupt "Design Thinking"? Design Thinking bezeichnet sowohl einen Prozess als auch ein "Mindset", der das Ziel hat, erfolgreiche Produkte und Dienstleistungen hervorzubringen. Design Thinking kommt ursprünglich aus Kalifornien und wurde schon in den 70-er Jahren angewandt. Erst aber um ca. 2010 herum wurde es in Deutschland richtig prominent, als erfolgsversprechende Unternehmen verstanden haben, dass Design Thinking ihnen helfen wird, ihre Kunden besser an sich zu binden und innovativ zu arbeiten. Design Thinking wenden inzwischen sehr viele erfolgreiche Unternehmen weltweit an, und kommt auch so langsam im Mittelstand an. Im Design Thinking geht es darum, den Kunden direkt in den Erstellungsprozess einzubinden. Man kann sich das so vorstellen: Früher hat ein Kunde den Unternehmen einen Auftrag vergeben. Dabei ist der Kunde von seiner Vorstellung ausgegangen, welches Problem mit dem neuen Produkt gelöst werden konnte. Der Auftrag wurde an ein Unternehmen vergeben, von dem man dachte, dass es am besten diese Aufgabe lösen könnte. Das Unternehmen nahm den Kundenwunsch entgegen und fabrizierte ein Produkt, das nach seinen Vorstellungen die Nöte des Auftraggebers am besten lösen wurde. Bei der Erstellung des Produktes waren also mehrere unbekannte Variablen inbegriffen.
1. Der Kunde wusste schon vorab, wie er sein Problem lösen wollte. Was aber, wenn das eigentliche Problem ganz woanders lag?
2. Das beauftragte Unternehmen interpretierte, was dem Kunden wohl als Lösungsansatz wohl am besten gefallen würde.
Fazit: Man beschäftigte sich immer nur mit den Lösungsansätzen, ohne überhaupt die Fragestellung zu hinterfragen. Was kam dabei heraus? Produkte und Dienstleistungen, die entweder den Geschmack des Kunden auf der einen Seite oder den gesamten Markt überhaupt nicht trafen. Die Schleife wiederholte und wiederholte sich endlos. Die Produkte wurden immer weiter verfeinert, bis sich Unternehmen und Auftraggeber immer näher kamen.
Was war dann das Resultat?
A) Wahnsinnig hohe Investitionen/ Kosten
B) Nachhaltigkeit blieb komplett auf der Strecke
C) Das eigentliche Problem wurde möglicherweise überhaupt nicht gelöst
D) Der Markt hatte sich inzwischen weiterentwickelt. D.h. möglicherweise war das Produkt oder die Dienstleistung schon bei Fertigstellung komplett überholt.
Welche Erleichterung hat der Prozess des Design Thinking gebracht?
1. Der Kunde wurde Teil des Prozesses. Er durfte von Anfang an mit dabei sein. Er wurde Teil des Teams. Er durfte mitbestimmen, mitentwickeln und stand nicht nur am Rande. Er bekam die Fehler mit, die unterwegs allen unterliefen, er begann, mit dem Team des Unternehmens, die mögliche Problemstellung zu verstehen und war am Ende stolz, Teil des Erfolges zu sein. Er war mit dabei.
2. Das Mindset ist ausschlaggebend. Hinter dem "Mindset des Design Thinking" steht eine Einstellung. Die Einstellung einer Offenheit und Transparenz, die zu einem erfolgsversprechenden Ergebnis führt.
Das DT (DT ist die Abkürzung für Design Thinking) beinhaltet wichtige Sätze wie:
- "Fail early and often", was soviel bedeutet wie: Scheue dich nicht Fehler zu machen! Fehler bedeutet nichts anderes als Lernen! Aber... mache die Fehler möglichst schnell und möglichst transparent, so dass alle daraus lernen können.
- Drehe danach so viele Schleifen wie nötig. Wenn es nötig ist, nochmal an den Anfang zurückzukehren, dann mache das! Besser öfters zurück als gerade vor ins Nichts.
- Beobachte genau. Fühle dich rein in die Nöte des potentiellen Kunden. Interviewe Menschen, die zukünftige Kunden für das Produkt werden könnten, um herauszufinden, ob du bzw. ihr als Team überhaupt die richtige Fragestellung angeht, und nicht ein Produkt entstehen lasst, das möglicherweise gar nicht den relevanten Druckpunkt des Kunden löst.
- Baue möglichst früh einen Prototypen. Verabschiede dich von unserem all zu oft angewandten Perfektionismus. Ein Prototyp ist wie ein Modell. Ein Modell, das oft mit kreativen Ansätzen kostengünstig umgesetzt wird. So werden oft Prototypen mit Legos gebaut, oder Collagen erstellt. Alles, was dem Team im dem Moment einfällt, zählt.
- Teste früh und oft deine Prototypen aus, damit du jetzt schon die möglichen Fehler oder Fehler in der Fragestellung erkennst. Erkenne früh, ob du den Puls der Zeit und die Nöte triffst.
- Keine Idee beim Prototyp ist besser als die andere. Im Design Thinking bauen wir immer auf der Idee des anderen auf. Niemand ist besser oder schlechter. Wir nutzen Sätze wie: ja, das gefällt mir gut.. UND ich könnte mir vorstellen, dass wir es um Folgendes erweitern. Und nicht "ja, ... aber"...
- Teamarbeit, Teamarbeit, Teamarbeit. Innovationen entstehen nur, wenn möglichst Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen zusammenkommen. DIVERSITÄT ist dabei eines der Herzpunkte des Design Thinking. Diversität bedeutet: Unterschiedlichkeit der Geschlechter, der Herkunft, des Alters, des Fachwissens, der Persönlichkeit, etc. etc. Das könnte ich noch ewig weiterführen. Je diverser eine Gruppe ist, umso besser ist das Resultat. Dabei eignet sich eine Gruppengröße von ca. 8-12 Menschen am besten, um gemeinsam den Prozess des Design Thinking durchzugehen. Und neue Ideen entstehen zu lassen - also zu "kreieren". Es ist völlig irrelevant, ob das Team als Abteilung zusammengehört. Eher nicht. Am besten sogar viele Menschen aus unterschiedlichen Abteilungen. Am besten sogar unternehmensübergreifend.
- Quantität vor Qualität. Um gute Ideen hervorzubringen, muss man viele Ideen haben. Ganz viele Ideen...! Und das erreicht man am besten, wenn möglichst viel Diversität herrscht und alle Meinungen zugelassen werden.
3. Der Einstieg in Design Thinking ist also nie ein Lösungsansatz, sondern immer eine Fragestellung. Und zwar eine komplexe Fragestellung. Möglicherweise oder sogar wahrscheinlich eine, die noch nie da gewesen ist. Eine, die erst "kreiert" werden muss. Eine, die ganz neu entsteht. Eine, die alle mit ins Boot nimmt, die involviert sind, um eine großflächige Teamaufgabe erfolgreich zu lösen.
Was hat "Design Thinking" nun mit "Design Your Life" zu tun?
Sehr viel! Wie das Wort schon verrät, wenden wir Design Thinking in dem Fall auf das Leben an. Welche wohl noch komplexere Fragestellung gibt es überhaupt als: "Wie lebe ich ein glückliches Leben?" oder "Wie lebe ich ein Leben, das genau zu mir passt?"
Man kann Design Thinking 1:1 auf die Fragestellungen im Leben anwenden. Wir müssen uns das so vorstellen: Wie absurd wäre es, wenn wir am Anfang unseres Lebens eine Entscheidung treffen würden, wie wir unser Leben verbringen und dabei glücklich werden! Es würde nicht funktionieren. Ganz abgesehen davon, dass unser Leben daraus besteht, ständig dazuzulernen, sind wir immer in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen. D.h. wir müssen uns ständig neu entscheiden. Und das ist auch gut so!
Betrachte nun oben die Punkte, die ich für das Design Thinking genannt habe: Wir können sie 1:1 auf das Leben anwenden.
1. Der Kunde wurde Teil des Prozesses. Wenn nicht du dein eigener Kunde ist, wer dann? Aber siehst du dich überhaupt als Kunden deines Lebens? Hinterfragst du denn, wie du dein Leben führst? Kennst du überhaupt deine Bedürfnisse?
Wie möchtest du denn Ideen für eine Lebens- und Arbeitsgestaltung entwickeln, wenn du dich eigentlich nicht kennst? Wenn du nicht weißt, nach welchen Werten du in der momentanen Situation lebst? Wenn du dich nie hinterfragst, welche Rahmenbedingungen in deinem Leben eine Rolle spielen? Wenn du dir nicht bewusst bist, wie du deine Interessen als auch deine Talente wirklich ausleben kannst?
2. Das Mindset ist ausschlaggebend. Wir müssen immer genau beobachten, was uns wichtig ist. Es hilft einfach nichts, sich immer zu beschweren. Wir müssen Verantwortung für unser Leben übernehmen. Du bist unglücklich im Job? Dann finde erst einmal heraus wieso!
Es ist ganz normal, dass du auch Angst davor hast. Neue Schritte zu gehen, sich selbst besser kennenzulernen, das erfordert Mut! Wie viel bequemer ist es doch, sich zu beschweren, weiter den Dauerlauf im Leben zu üben, ohne je zufrieden abends ins Bett zu gehen.
Aber was ist der Preis?
Das Leben rennt an uns vorbei! Wir lassen uns einlullen durch Dauermeetings, Dauerabstimmungen, Deadlines. Fahrerei - die jetzt dank Corona (und da gibt es wohl nicht viel, was man als "Dank Corona" bezeichnen kann) endlich mal weg fällt, weil wir denken, es wäre enorm wichtig, sich im Büro mal "zeigen zu lassen", um Teil des Ganzen zu sein? Ist es nicht endlich Zeit, das Ganze mal zu überdenken? Welchen Preis zahle ich eigentlich? Und was habe ich eigentlich davon? Und was haben die Unternehmen davon, dass sie die Menschen rennen lassen, ohne ihnen die Chancen zu geben, herauszufinden, was ihnen wirklich im Leben wichtig ist, um dann, wenn sie das herausgefunden haben, auch glücklicher und produktiver zur Arbeit kommen? Und "Zur Arbeit kommen" bezeichne ich wahrlich nicht als geographisch. Selbst nicht als zeitliche Komponente. Zur Arbeit kommen würde für mich bedeuten: dann und so lange produktiv zu sein, wie ich es persönlich als richtig erachte. "Meine" Höchstleistung ist etwas sehr Individuelles. Wenn ich morgens um 6 die besten Ideen habe, dann mache ich das so. Wenn ich mitten am Tag am liebsten im Sommer schwimmen gehe, während die "Bürozeit" mich eigentlich daran hindern würde, dann mache ich das so. Wäre ich dabei unproduktiver? Absolut nicht! Am produktivsten bin ich dann, wenn ich mein Leben und meine Arbeit im "Flow" verbinden kann. Wie ein Fluss, der sich bewegt und immer wieder anpasst.
Wäre es für uns alle - sowohl für Unternehmen als auch für Mitarbeiter - und sowieso für uns Menschen nicht wesentlich besser, wir würden mal die Zeit nutzen, GENAU JETZT, wo sowieso alles Kopf steht, um kurz anzuhalten?
Und dazu kommen wir wieder zur Parallele des Design Thinking Punkt Nr. 3, den ich oben genannt habe:
3. Der Einstieg in Design Thinking ist also nie ein Lösungsansatz, sondern immer eine Fragestellung. Was genau ist also deine Fragestellung in deiner momentanen Lebenssituation?
Lerne dich kennen, sei offen mit all dem, was eventuell auf dich zukommt, wenn du dich traust, über dich nachzudenken. Du wirst dich wundern, wieviele Ideen du in dir trägst, wenn du sie plötzlich heraus lassen darfst.
Jeder von uns kann kreativ denken!
Wir wussten das nur nicht vorher. Das ist nicht "Maya" und "Peter" überlassen, die sowieso schon immer zeichnen konnten. Kreativität ist etwas, das trainiert werden kann. Und das trainierst du am besten, wenn du erst ganz viele Ideen hast und diese dann in einen Filter legst und konkretisierst. Wenn du dabei noch von Menschen begleitet wirst, die sich mit dir austauschen, dann wird das Ergebnis noch "diverser" - noch besser. Und stell dir vor: diese Menschen musst du noch nicht einmal vorher gekannt haben.
Du wirst dich wundern, wie viel besser du dein Leben mit der Arbeit in Einklang bringen kannst, wenn du dir die Zeit dafür nimmst. Und liebe Leser - "Arbeit" bedeutet wahrlich nicht nur bezahlte Arbeit. Arbeit ist alles, was dich arbeiten lässt. Ob du als Angestellte deine Bestleistung bringst, ob du zuhause alle Fäden in der Hand hälst, ob du dich für die Nachbarschaft engagierst. All unsere Arbeit hat sehr viel mit unserem Leben zu tun.